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Von Kindheit an in die Landwirtschaft „eingespannt“ – Arbeit im Wald und bei Ritter Sport im Erwachsenenalter

Gertrud Ruckh berichtet, ihr Vater habe in den warmen Monaten bei einem Maurer gearbeitet und im Winter, wenn die Bautätigkeit und somit seine Arbeit wegfiel, sei er in den Wald zum Holzhauen gegangen. Dies war damals durchaus üblich, um weiterhin sein Auskommen zu haben, wenn aufgrund der jahreszeitlichen Bedingungen der Beruf nicht mehr ausgeübt werden konnte oder die Arbeit in der Landwirtschaft nicht mehr möglich war.  

Die Landwirtschaft war zur Jugendzeit von Frau Ruckh noch wenig mechanisiert. Von Kindheit an arbeitete Gertrud Ruckh mit bei der Versorgung von Tieren, beim Anbau und Ernten von Gemüse und Obst. Der Braunacker, auf dem Frau Ruckh als Kind beim Obstlesen half, hatte verschiedene Nutzungszwecke im Laufe der Geschichte: Nach Rodung der Waldfläche für den Ackerbau wurde die Fläche ab dem 19. Jahrhundert zunehmend für Wiesen und Obstanbau genutzt und liegt heute im Naturschutzgebiet Schönbuch.

Nach Ende ihrer Schulzeit muss Frau Ruckh das sogenannte Pflichtjahr absolvieren. Frauen, die jünger als 25 Jahre waren, mussten ein Jahr entweder in der Landwirtschaft oder in der Hauswirtschaft arbeiten. Frau Ruckh berichtet, sie habe nur ein halbes Jahr des Pflichtjahres absolvieren müssen, da ihre Großmutter betreut und gepflegt werden musste und sie zu Hause in der Landwirtschaft zu helfen hatte. Sofern es die Arbeit in der Landwirtschaft zuließ, arbeitete Frau Ruckh zudem als Waldarbeiterin im Pflanzengarten.

Kurz darauf ist Frau Ruckh bei der Firma Alfred Ritter GmbH & Co. KG beschäftigt, die bekannt ist für ihre Schokoladenmarke Ritter Sport und heute noch ihren Sitz in Waldenbuch hat. Hier arbeitet sie kurze Zeit als Haushaltshilfe bei der Familie Ritter, bis sie in die Produktion wechselt und bei der Herstellung von Schokoladenhasen hilft. 

Also meine Mutter war immer in der Landwirtschaft und mein Vater, der war so ein Maurer, wo halt nicht so richtig Maurer war, aber halt mitgeschafft hat im Mauerergeschäft. Und im Winter, wenn der Bau ein bisschen weg war, dann ist er im Wald gewesen und hat Holz gemacht. Die haben damals noch gesägt mit den langen Sägen und der eine hat gezogen und der andere hat geschoben.

Und dann ging die Landwirtschaft los im März. Dann hat man wieder müssen säen und mit den „Viechern“ waren wir unterwegs. Wir haben ja bloß „Viecher“ gehabt. Wir haben halt zu den Kühen gesagt „Viecher“. Dann hat man mal ein Kälbchen gehabt, das man verkauft hat. Und eine Sau. Die Schweine, die sind gemetzget geworden. Von dem hat man eigentlich gelebt. Und Landwirtschaft war natürlich vorwiegend bei uns. Wir haben ja auch ein Feld gehabt, das weit gegangen ist. Wir haben eine halbe Stunde oder noch weiter laufen müssen bis wir auf unserem Grundstück waren, beim Hasenhof, Richtung Steinenbronn. Man musste noch alles tragen, das ganze Geschirr und alles. Denn mit den „Viechern“ ist man eigentlich nur gefahren. Da war man schon eine Weile unterwegs, in der Landwirtschaft musste man schon hart arbeiten. 

Sobald man in die Schule gekommen war, musste man nebenher schon mitarbeiten, Kleinigkeiten, die man konnte, wie Hühner füttern, ein bisschen Gras rechen, Futter holen, man hat aber auch mitmüssen aufs Feld. So war das und so ging’s immer weiter. Wenn die Schule aus war, musste man nachmittags beispielsweise im Herbst Obst auflesen. Manchmal hat man sich mit anderen zusammengeschlossen und ist mit dem Handwagen losgezogen, um das Säckchen mit den Feldfrüchten aufladen zu können. Wenn man zum Braunacker musste, ist man eine halbe Stunde unterwegs gewesen. So ging das, bis man die Schule beendet hatte. Immer hat man neben der Schule das mitgearbeitet, was notwendig war. 

Wasser hat man aus den Brunnen geholt. Überall gab es Brunnen, auch in „Neuenweg“ gab es einen Brunnen. Dorthin hat man die Rinder geführt. Und solange man noch keine Wasserleitung hatte, hat man am Brunnen auch Wasser geholt. Es gab große Gefäße, die viel fassten. Diese wurden gefüllt und meistens trugen die Frauen diese auf dem Kopf nach Hause. Denn man brauchte ja auch im Haushalt Wasser. 

Und gebacken? Das wurde im Backhaus. Man hat selbst gebacken und immer für eine ganze Woche das Brot gebacken. Das lagerte im Keller in einem Gestell an der Wand, damit die Mäuse nicht herankamen. Dann hat man die ganze Woche von diesem Brot gegessen. Und wenn das altbacken wurde, wurde eine Brotsuppe daraus zubereitet. Man hat eigentlich nichts verkommen lassen. Obwohl es im Ort einen Bäcker gab, hat man trotzdem selbst gebacken. Unser Backhaus war wichtig. Daneben lag die Wäscherei, da konnte man seine Wäsche waschen. Im Waschhaus befanden sich Kessel und Bottiche zum Einweichen und so weiter. Beides, Backhaus und Waschhaus, lagen nebeneinander. 

Nach der Schule musste man noch ein Pflichtjahr absolvieren. Das war noch 1945 und 1946 so. Da mussten wir noch das Pflichtjahr machen. Ich war im Haushalt der einzigen Friseurin von Waldenbuch, die zwei Kinder hatte. Dort bin ich aber nur ein halbes Jahr geblieben, denn wir haben inzwischen meine Großmutter aufgenommen, die halbseitig gelähmt war. Deshalb musste ich nur ein halbes Jahr absolvieren, denn ich musste zu Hause in der Landwirtschaft helfen. Und die Großmutter musste man auch mitbetreuen. Aber die Landwirtschaft war die Hauptsache. 

In der Zwischenzeit, wenn man frei hatte, sind wir in den Wald gegangen. Die paar Wochen, in denen man frei hatte, ist man in den Wald gegangen. Wir mussten rauf zum Braunacker fahren. Wir nahmen die Fahrräder. Wenn wir Glück hatten, kam von Steinenbronn her ein Lastwagen. Der hat uns mitsamt der Räder bis oben hin mitgenommen. Er fuhr weiter und wir mussten bloß noch vollends in den Wald reinfahren. Die abendliche Heimfahrt war kein Problem. 

Es gab einen Pflanzengarten. Dort bekam man die Setzlinge zum Pikieren. Dann hat man in einem großen viereckigen Beet eine Schnur gespannt. Das Beet hat man vorbereitet, umgestochen, hergerichtet, eine Schnur gezogen und dort entlang die kleinen Pflanzen reinpikiert. Drei Jahre brauchte es, bis die Pflänzchen so groß waren, dass man sie auspflanzen konnte. Man musste sie regelmäßig durchhacken, damit kein Gras dazwischen wuchs. Gepflanzt wurde immer im Wechsel. Manche Pflanzen blieben ein Jahr, dann hat man sie verpflanzt. Und wenn das Beet wieder leer war, wurde wieder frisch gesetzt. Wir waren eine Gruppe, sogar von Neuweiler waren einige bei uns. Es gab eine Blockhütte. Wir hatten den Rucksack mitgenommen. In der Hütte befand sich ein Ofen, manchmal haben wir etwas warm gemacht oder wir hatten ein Vesper mitgenommen. Dann saß man da und hat Mittagspause gemacht. Manchmal haben wir uns auch ein bisschen hingelegt auf die Bank, wenn wir müde waren. 

Es waren vorwiegend Frauen, die pflanzten. Lediglich beim Auspflanzen im Wald, an den Stellen, an denen die Pflanzen gebraucht wurden sind manchmal die Männer gekommen, Holzmacher, die haben den Boden vorbereitet, mit einer großen Hacke die Löcher gegraben, gemacht, damit man die Pflanzen bloß setzen musste. Oder wir haben junge Buchenschösslinge, die ausgewachsen sind, im Wald aus der Erde gezogen. Dann wurden sie eingeschlagen, in einen Wassergraben gelegt und später, dort, wo sie gebraucht wurden, wieder eingepflanzt. Oder auch Tannen. Die sind aber gleich weggekommen. Zum Pflanzen ist man in das Gebiet gegangen, in dem man die Pflanze brauchte. Der Jäger hat uns den Platz zugewiesen und da sind wir hin und haben eingepflanzt. 

Ich habe bei der Firma Ritter ein Jahr gearbeitet. Ritter musste auch wieder neu anfange, denn vorher war in dem Gebäude die Firma AEG untergebracht und alle Maschinen waren weg. Ritter begann zunächst mit der Herstellung von Fondant, Schokolade-Fondant, und einer Mischung aus Soja. So hat Ritter allmählich wieder angefangen. Später wurde es dann mehr.

Ich war eine Zeitlang im Packsaal eingesetzt. Dort wurden Bonbons hergestellt, die man in Papier einwickeln musste. Später wurde ich gefragt, da die junge Frau von Herrn Ritter erkrankt war, ob ich nicht den Haushalt als Haushaltshilfe führen könnte, da eine kleine Tochter da war. Ich war ein knappes Viertel Jahr bis Weihnachten in der Familie Ritter als Haushaltshilfe. Nach Weihnachten, habe ich dort aufgehört und bin ich wieder rüber in die Produktion. Geschäft gegangen? Dort haben sie mich als richtige Hilfe eingestellt. 

Ich wurde in der „Hasenproduktion“ eingesetzt. Wir haben Rahmhasen hergestellt. Das ging ja nach Weihnachten los mit der Produktion von Rahmhasen. Damals wurden Butter und Zucker gekocht. Es gab Gussformen, in die die Masse eingefüllt wurde. Diese mussten immer mal wieder gedreht werden, dass die Hasen schön gleichmäßig wurden. Wir haben teilweise riesengroße Exemplare gemacht. Richtig gute Schokoladenhasen. Wir hatten riesige Ventilatoren zum Trocknen der Hasen. Es wurden auch Krokanteier hergestellt, aber nur wenig.