Suche
Close this search box.

Einmarsch und Kriegsende – Einführung

© Stadtarchiv Leonberg
© Stadtarchiv Leonberg

Noch bevor in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet wurde und diese am 8. Mai 1945 in Kraft trat, hatten die Alliierten im Februar 1945 auf der Konferenz in Jalta die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen beschlossen.1 Südwestdeutschland wurde innerhalb weniger Wochen bis Ende April 1945 von amerikanischen und von französischen Truppen erobert.2 Das Gebiet des heutigen Landkreises Böblingen wurde zwischen dem 17. und dem 22. April 1945 von Truppenverbänden der 1. Französischen Armee unter General Jean de Lattre de Tassigny besetzt.3
In den letzten Kriegstagen war die militärische Lage chaotisch. Während die französischen Truppen zum Beispiel in Haslach am 18. April kampflos einrückten, kam es im Nachbarort Kuppingen zu schweren Kämpfen mit Wehrmachtssoldaten und Männern des sogenannten „Volkssturms“.4 Nicht weit davon entfernt rückten in Aidlingen französische Verbände zwar am 21. April ohne Gegenwehr ein, allerdings wurde der Ort kurz danach von alliierten Jagdbombern beschossen. Dies kostete nicht nur französischen Soldaten, sondern auch Zivilisten, einem französischen Kriegsgefangen und zwei im Ort befindlichen polnischen „Fremdarbeitern“5 das Leben.6 Deckenpfronn wurde an diesem Tag unmittelbar vor dem Einmarsch der französischen Truppen bei einem Luftangriff zu zwei Dritteln zerstört, weil sich hier deutsche Verbände zurückgezogen hatten.7
Die Tage nach der Besetzung waren für die Menschen eine Zeit großer Ängste und Ungewissheit. Die 1. Französische Armee bestand aus bunt zusammengesetzten Truppenverbänden, an die 1943 auch die französische Nordafrikaarmee angegliedert worden war.8 Diese aus den Kolonien stammenden Hilfstruppen waren bei der Bevölkerung besonders gefürchtet und wurden damals in der Umgangssprache in unserem Raum als „Marokkaner“ bezeichnet. Ein Begriff, den Zeitzeugen noch heute verwenden. Tatsächlich kam es in den ersten Besatzungstagen zu Racheakten, Plünderungen und zu massiven sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen.9
Für die damaligen Landkreise Böblingen und Leonberg dauerte die französische Besatzung allerdings nur kurz an. Als die Alliierten ihre Besatzungszonen endgültig festlegten, wurde hier am 7. Juli 1945 die Trikolore eingeholt. Stattdessen rückten am 8. Juli 1945 amerikanische Streitkräfte ein. Dachtel und Deckenpfronn – damals noch zum Kreis Calw gehörig -, verblieben in der französischen Zone. Zwischen der amerikanischen und der französischen Zone verlief eine Grenze mit einem Schlagbaum, die man auf legale Weise nicht ohne Passierschein übertreten durfte.10
Unter der amerikanischen Besatzung verbesserte sich im Allgemeinen die Ernährungslage.11 Von der Requirierung von Sachmitteln, Lebensmitteln und Arbeitskraft verlagerte sich der Schwerpunkt ihrer Besatzungspolitik nun auf die „Entnazifizierung“ Deutschlands. Das Bestreben, die im Nationalsozialismus Handelnden oder noch immer nationalsozialistische Gesinnten vollständig aus allen politischen Elementen der Gesellschaft zu entfernen, war allerdings langfristig kaum umzusetzen.12

1 Gruchmann, Lothar, Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik, München 1978, S. 453.
2 Gruchmann, Lothar, a.a.O., S. 432.
3 Heimberger, Fritz, Die Geschichte des Kreises, in: Heeb, Reiner (Hg.), Der Kreis Böblingen, Stuttgart 1983, S. 72 – 103, S. 103; Vgl. Becker, Andrea, Die Besetzung des Raumes Böblingen-Sindelfingen durch die Franzosen im April 1945, Zulassungsarbeit, Döffingen 1972, Anlage Kreiskarte.
4 Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus. Stadt und Gesellschaft (1933-1945), Herrenberger Historische Schriften Band 11, Ubstadt-Weiher 2017, S. 235.
5 „Fremdarbeiter“ bezeichnet in der Regel ausländische Zivilarbeiter, die unter Zwang nach Deutschland verschleppt wurden, um sie – häufig zu sehr schlechten Bedingungen – in der Landwirtschaft und Rüstungsindustrie als Arbeitskräfte einzusetzen.
6 Maul-Ilg, Manfred, Aidlingen, Lehenweiler, Dachtel und Deufringen im 20. Jahrhundert, in: Aidlingen, Lehenweiler, Dachtel und Deufringen. Beiträge zur Ortgeschichte, Aidlingen 1999, S. 698.
7 Vgl. Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus. Stadt und Gesellschaft (1933-1945), S. 231.
Siehe auch: Baum, Barbara / Hahn, Martin, Deckenpfronn – ein Dorf wird wieder aufgebaut, herausgegeben von der Gemeinde Deckenpfronn, Regierungspräsidium Stuttgart – Referat Denkmalpflege, Stuttgart 2006, S. 5.
8 Vgl. Thies, Jochen / von Daak, Kurt, Südwestdeutschland Stunde Null. Die Geschichte der französischen Besatzungszone 1945-1948, Düsseldorf 1979, S.17 – 20.
9 Vgl. Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus, S. 240.
10 Vgl. Maul-Ilg, Manfred, Aidlingen, Lehenweiler, Dachtel und Deufringen im 20. Jahrhundert, S. 700.
11 Setzler, Wilfried, Leonberg seit 1945, in: Leonberg. Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte, Stuttgart 1992, S. 266.
12 Vgl. Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus, S. 246.