Ende April 1945 wurden die Städte und Gemeinden der Kreise Böblingen und Leonberg durch französische Truppen besetzt, am 8. Juli 1945 übernahmen amerikanische Truppen die Besetzung.
Über 5,3 Millionen deutsche Soldaten waren im Kriegseinsatz gefallen,1 11 Millionen deutsche Soldaten wurden Kriegsgefangene. Überlebende der Konzentrationslager und Millionen von Fremdarbeitern, die unter Zwang in Deutschland arbeiten mussten, suchten ein Zuhause, wollten in die USA emigrieren2 oder in ihre Heimat zurückkehren.
In den Konzentrationslagern der nationalsozialistischen Diktatur wurden in den vorausgegangenen Jahren 6 Millionen Juden, über 3 Millionen russische Kriegsgefangene3 und Millionen von Roma und Sinti, Homosexuelle, politische Gefangene und Menschen anderer Herkunft ermordet.
1945 gab es in Deutschland 3 Millionen Evakuierte. Kinder aus der Kinderlandverschickung lebten bei Fremden bzw. sollten zu ihren Eltern zurückgebracht werden, sofern diese den Krieg und die Bombardierungen überlebt hatten.4 Ebenfalls erforderte die Aufnahme von 12 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen von allen Beteiligten große Anstrengungen im Wohnungsbau und im Ausbau der Infrastruktur.5
Der Alltag war gekennzeichnet durch Zerstörung, Wohnungsnot, Mangel an Lebensmitteln und Heizmaterialien, Geldentwertung und eine zerrüttete Wirtschaft.6 Während des Krieges und in der Nachkriegszeit waren viele Güter nur über Bezugsscheine zu erhalten und alle landwirtschaftlichen Produkte abzugeben. Trotz Zwangsbewirtschaftung herrschte bei den meisten Familien auf dem Land weniger Not als in den Städten.7
Nach Kriegsende begann in der amerikanischen Besatzungszone – zu der damals mit Ausnahme von Dachtel und Deckenpfronn die Gemeinden des heutigen Landkreises gehörten – die politische Aufarbeitung durch die Militärregierung, die Entnazifizierung, die die Entfernung von nationalsozialistischen Tätern oder noch immer nationalsozialistisch Gesinnten aus ihren öffentlichen Ämtern zum Ziel hatte.
Parteimitglieder wurden in Internierungshaft eingewiesen8, doch selbst Parteifunktionäre wie Kreisleiter wurden wenige Jahre nach dem Krieg in den Spruchkammerverfahren häufig als Minderbelastete eingestuft9, da die Opfer ihrer Handlungen emigrierten oder ermordert worden sind und andere Zeugen die Konfrontation mit dem Erlebten bei den wiederholten Befragungen nicht aushielten.10 NS-Kreisleiter waren, selbst wenn sie in den Spruchkammerverfahren als Minderbelastete eingestuft worden sind, geächtet,11 während einige andere überzeugte Parteianhänger und sogenannte „Mitläufer“ ihre beruflichen Karrieren ohne große Brüche fortsetzen konnten, da Einrichtungen in der Verwaltung und Bildung ohne die bisherigen Mitarbeiter funktionsunfähig gewesen wären. 12
1 Overmans, Rüdiger, Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, München 1999, S. 300; Rüdiger Overmans stellt in seiner Untersuchung dar, beinahe 50 % der Gefallenen, nämlich 2,7 Millionen Soldaten, entfallen auf den Einsatz in den letzten Kriegsmonaten (ca. 300 – 400 000 Soldaten in jedem Monat; Juli 1944 – Mai 1945), S. 318).
2 Vgl. für die Situation in den amerikanischen Besatzungszonen: Wetzel, Juliane, „Mir szeinen doh“. München und Umgebung als Zuflucht von Überlebenden des Holocaust 1945 – 1948, in: Broszat, Martin; Henke, Klaus-Dietmar; Woller, Hans, Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, 3. Aufl. München 1990, S. 326 – 364, S. 328: Überlebende Juden der Konzentrationslager, auch aus den Ostgebieten, suchten als sogenannte „displaced persons“ Aufnahme in die amerikanische Zone mit dem Ziel, in die USA zu emigrieren.
3 Schütz, Erhard, „Spätheimkehrer“. Mediale Reflexion zum Mythos von Adenauers Moskau-Reise, in: Agazzi, Elena (Hg.), Heimkehr: Eine zentrale Kategorie der Nachkriegszeit. Geschichte, Literatur und Medien, Berlin 2010, S. 95 – 115, S 95.
4 1945 gab es in Deutschland ca. 3 Mio. Evakuierte, in den folgenden Jahren wurden in der BRD/den deutschen Staaten 12 Mio. Flüchtlinge und Vertriebene aufgenommen, Bis 1955 kehrten ca. 11 Mio. deutsche Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft zurück, vgl. dazu: Schütz, Erhard, „Spätheimkehrer“. Mediale Reflexion zum Mythos von Adenauers Moskau-Reise, S 95.
5 Weller, Arnold, Sozialgeschichte Südwestdeutschland, Stuttgart 1979. S. 275; Echternkamp, Jörg, Nach dem Krieg. Alltagsnot, Neuorientierung und die Last der Vergangenheit 1945 – 1949, Zürich 2013, S. 41.
6 Aufbruch 1949, mit Beiträgen von Günter Scholz, herausgegeben von der Stadt Böblingen, Böblingen 1999, S. 8; 10. Vgl. Heimberger, Fritz, Die Geschichte des Kreises, in: Heeb, Reiner (Hg.), Der Kreis Böblingen, Stuttgart 1983, S. 72 – 103, S. 102f.
7 Heimberger, Fritz, Die Geschichte des Kreises, S. 102.
8 Wie belegt für die Stadt Herrenberg in: Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus. Stadt und Gesellschaft (1933-1945), Herrenberger Historische Schriften Band 11, Ubstadt-Weiher 2017, S. 244.
9 Fait, Barbara, Die Kreisleiter der NSDAP – nach 1945, in: Broszat, Martin; Henke, Klaus-Dietmar; Woller, Hans, Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, 3. Aufl. München 1990, S. 213 – 299, S. 240.
10 Ebd., S. 226.
11 Ebd.,
12 Vgl. Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus. Stadt und Gesellschaft (1933-1945), S. 246.